Archive for the ‘Wirtschaft’ Category

Sprache der Ingenieure: Ein Lunker macht nichts Unanständiges

Dienstag, Juli 22nd, 2014

Sprache der Ingenieure: Ein Lunker macht nichts Unanständiges
Warum es sich lohnt, auch als Ingenieur Schwieriges einfach herunterzubrechen.

von Daniel Grosse

Ein Lunker macht nichts Unanständiges. Er schließt lediglich die Luft ein, ist ein Lufteinschluss im Material. Und warum schreiben oder sagen das dann die wenigsten so? Weil Lunker ein Fachbegriff ist. Unter Fachleuten, Ingenieuren, Technikern mit gleichem Wissenshintergrund, mag das legitim sein, einen Lunker einen Lunker zu nennen – aber nichtsahnenden Dritten gegenüber ist es unanständig. Anders verhält es sich mit Lokomotive, Motor, Turbine, Maschine, Radio oder Elektrizität. „Wir nennen solche Wörter, die in allen Sprachen, welche sie übernommen haben, gleich oder ähnlich lauten, Internationalismen,“ schreiben die Autoren im 1960 erschienenen Werk „Die deutsche Sprache“. In der Deutschen Demokratischen Republik wurde es eingesetzt als Lehr- und Übungsbuch für Ingenieurschulen, Fachschulen und in der Erwachsenenbildung. Die Internationalismen heißen eben so, und jeder versteht’s.

Aber bestimmte Fachausdrücke muss man erklären. Oder zumindest Leser gleich mit in die bizarre Welt der Technik-Denkenden nehmen. So wie Philipp Reipschläger mit seiner Internetseite ingenieur-kultur.de. Dort sammelt er allerlei Kurioses aus der Schrift- und Sprechsprache in der Welt der Ingenieure. Die Aussage etwa „Wir verfolgen eine Anzahl verschiedener Lösungsansätze“ übersetzt Reipschläger mit „Wir stochern immer noch im Dunkeln“. Die Beispiele der Ingenieur-Terminologie auf ingenieur-kultur.de sind als Übersetzungen natürlich überzogen, aber es gibt im wahren Leben sicher Situationen, wo es in diese Richtungen geht.

Ein Techniker oder Ingenieur steht vor neuen Herausforderungen. Er soll sich verständlich ausdrücken. Er soll nicht mehr wie ein Technokrat auftreten. Er soll ein Produkt erklären können – nicht nur im Falle von Bedienungsanleitungen oder technischen Dokumentationen. Aber wie schafft er das? Ein Weg ist, die Sprache in den Unternehmen zu kontrollieren. Dazu dienen Verständlichkeitsregeln, sie schaffen Klarheit. Mitarbeiter können an Schulungen teilnehmen. Schließlich müssen sie wissen, warum sie verständlich kommunizieren sollen und natürlich, wie sie dies erreichen können. So genannte style guides, gar eine Controlled Corporate Language, gibt es inzwischen immer häufiger in Unternehmen – auch zu dem Zweck, dass deren Ingenieure besser mit anderen Abteilungen und Kunden kommunizieren können. Auch damit sich keiner mehr vor einem Lunker fürchten muss. Denn schließlich schließt der ja nur Luft ein. Und das kann man doch so auch sagen.

Daniel ist wütend – Büroalltag in der Firma – Sehenswert im Theater

Freitag, März 21st, 2014

„Warteraum Zukunft“ – eine Kritik von Daniel Grosse

Daniel ist wütend. Der mittel-gescheitelte, gefrustete Ingenieur Daniel Puttkamer sitzt im Warteraum Zukunft, einem Theaterstück von Oliver Kluck. Daniel brüllt, marschiert über Tische und Stühle, schimpft, spritzt Wasser über die Zuschauer. In seiner Erregung kann er kaum den Becher halten. Alles nervt ihn. Sein Job, der schon morgens beginnt, wenn er im Auto sitzt und diese blöden Radiosendungen hört. Ach, wieder ein Stau. Schon wieder ein Krieg. Schon wieder ein politischer Skandal. Und dann noch die tollen Hits aus den vergangenen Jahrzehnten. Aaaah! 140 Kilometer Fahrt pro Tag sind einfach zu viel. Und später in der Firma: Frank, Klaus, Heiner, Peter, Carsten haben eigentlich keine Namen. Sie sind die Kollegen „ach was weiß ich wie, oder so ähnlich“. Sie sind im Grunde gesichtslos. Nummern, bloße Funktionsträger in einer düsteren Arbeitswelt. Wo nur der blanke Busen der Kollegin am Kopierer oder der neu eingeführte Bierausschank in der Kantine den Arbeitsalltag erhellen.

Die Zuschauer durchleben mit Daniel einen ganz normalen Tag, der mit den unseren Tagen viele Berührungspunkte hat: Fluchtphantasien im Pendlerstau, Kantine, Post, Tagesplanung, Termin beim Chef, Mittagspause, Personalversammlung, Feierabend, zum Abschluss eine dumpfe Feier mit Suff, Schlagern und Stereotypen. Und die Beschreibung im Programmheft zu „Warteraum Zukunft“ übertreibt nicht.

Beim Zuschauer beschleunigt der Herzschlag, denn der Zuschauer sitzt mitten drin. Die Darsteller hinter ihm, vor ihm, über ihm. Eine mobile Kamera transportiert zusätzlich Bilder des Theaterstücks auf eine riesige Leinwand. Gefangen in Gestik und lautem Gebrüll sitzen die Zuschauer mit im Büro, in der Firma des Daniel Puttkamer. Versetzen will ihn sein Chef, nach Rumänien. Wo ist er hier nur gelandet, sicher war damals sein übermächtiger Vater daran schuld, das er so geworden ist, was er nun ist: ein total hyperventilierender, hysterischer, genervter und frustrierter Angestellter in einer geistig des Irrsinns entfesselten Unternehmenswelt. Daniel ist wütend – und hilflos.

Zu der gelungenen Inszenierung tragen nicht zuletzt auch die wunderbaren Darsteller-Kollegen des gespielten Daniel Puttkamer bei. Und die Statistin aus dem Publikum. Während der gesamten 75 Minuten Spielzeit läuft sie inmitten der Szenerie auf einem Laufband. Und fällt dann plötzlich völlig erschöpft auf den Boden. Regungslos. Tot? Bitte anschauen und mehr erfahren im „Warteraum Zukunft“, präsentiert vom Hessischen Landestheater Marburg. Sehenswert!

Smartphones lösen Zigaretten ab – Arbeitgeber erkennen und nutzen diesen Trend

Dienstag, Januar 14th, 2014

Smartphones lösen Zigaretten ab – Arbeitgeber erkennen und nutzen diesen Trend

von Daniel Grosse

(Marburg, dg) Smartphones lösen Zigaretten ab – Untersuchungen haben gezeigt, dass fünf von zehn Mitarbeitern, die in Büros arbeiten, regelmäßig während der Arbeitszeit ihr Smartphone nutzen – darunter auch Ex-Raucher. Sie tun dies am Arbeitsplatz, häufig in vermeintlich unbeobachteten Momenten.

Während früher die Raucherpause zu häufigen Unterbrechungen geführt hatte, blockiert jetzt die Smartphone-Pause. Diesen Trend haben Arbeitgeber nun erkannt und nutzen ihn: zur Imagepflege. Sie starten Kampagnen, in denen sie damit werben, wie gesund es doch ist, statt zur Zigarette zum Smartphone zu greifen.
Arbeitsausfall als mögliche Nebenwirkung, ständige geistige Entgleisung, Unkonzentriertheit und ähnliches seien zu vernachlässigende Faktoren, heißt es. Der Vorteil, dass ihre Mitarbeiter die Kollegen und sich selbst mit Zigarettenqualm gesundheitlich nicht mehr schädigen, sei nämlich nicht zu unterschätzen. Zudem werden die Smartphone-Pausen alleine verbracht, nicht mehr wie früher in Gruppen mehrerer Raucher.

Spezielle Ladestationen – mit Münzautomaten gekoppelt – in den Büros erleichtern das Laden der Geräteakkus. Das so eingenommene Geld spenden die Firmenchefs gemeinnützigen Organisationen, die Selbsthilfegruppen für SMS (Smartphone Multiple Sourcer) organisieren. Diese süchtigen SMS beziehen ihre Geräte von verschiedenen Herstellern und tragen sie stets bei sich. Das Ziel: die Versorgungssicherheit beim Punkt Kommunikation. – Realität oder Fiktion? Eine Glosse!

Perfekte Bewerbungsmappe gibt es nicht – Auch Kreativität und Struktur entscheiden

Montag, Januar 13th, 2014

Die Bewerbungsmappe: Pappe oder Plastik, grell oder grau?

von Daniel Grosse

Das Motto „Kleider machen Leute“ gilt im Bewerbungsmarathon auch für die Präsentation von Anschreiben, Lebenslauf und Zeugnissen. Aber ist die Auswahl der Mappe gar eine Kunst? Der Markt bietet funktional aufgeteilte Kartonmappen mit mehreren Klemmschienen und Einschüben. Auch der Schnellhefter ist noch zu haben. Mit der Verpackung von Lebenslauf und Co. sagen Bewerber allerdings einiges über sich aus. Und die Vorlieben der künftigen Arbeitgeber sollten sie kennen. Einige Tipps:

Gibt es die ideale Bewerbungsmappe?
Nein, die richtige Verpackung der Unterlagen ist abhängig von der Position, auf die man sich bewirbt. Unterhalb von einem Abteilungsleiterposten reiche auch eine ordentliche Kunststoffmappe aus, ist von Experten zu hören. Denn: Bei einem Berufsanfänger oder Praktikanten wirkt eine teure und voluminöse Präsentation übertrieben und aufgebläht. Die Lösung: eine einfache Kunststoff-Clipmappe oder eine schlichte Kartonmappe mit einer Schiene.

Was raten Personalleiter?
Man stelle sich die Situation in der Praxis vor: Auf eine ausgeschriebene Stelle gehen 130 Bewerbungen ein. Es herrscht Zeitdruck. Da sucht die Personalabteilung nach Inhalten und entscheidet nicht nach der Form. Eine klare, einheitliche Linie ist bei Bewerbungsratgebern und Personalleitern selten zu erkennen, allerdings haben inzwischen viele Firmen auf ihren Internetseiten Bewerbungsratgeber eingestellt, in denen sie Tipps zur Präsentation geben. Sind hier Vorgaben zur Mappen- oder Materialwahl aufgeführt, sollte man diese natürlich beachten. Und ohne Vorgaben? Dann sind Bewerber in ihrer Entscheidung frei und sollten das Material verwenden, mit dem sie sich am wohlsten fühlen.

Was bietet der Markt – oder die Qual der Wahl?
Der Markt bietet neben ausgefeilten Kunststoffvarianten inzwischen die Karton-Edelmappe in Nadelstreifen-Design, Metallic-Look, Modelle in Saphir oder Bronze, auch Aufteilungsvarianten werden vielfältiger. Das hat allerdings den Vorteil, dass man sich individuell präsentieren und Mappenqualität, Farbe und Aufteilung so wählen kann, wie es der Strategie und dem eigenen Geschmack am besten entspricht. Kosten bereits jetzt einige Modelle zweistellige Eurobeträge, könnte der Preiskampf in der Oberklasse Mappendesigner gar zu Modellen mit Velours- oder Wildlederoberfläche oder zu noch wilderen, augefalleneren Modellen inspirieren.

Wie wirkt sich die Wahl einer bestimmten Farbe aus?
Die Farbe der Mappe sollte zum Bewerbungsfoto passen, lautet ein Ratschlag. Nicht zu knallig sollte die Mappenfarbe sein, auch goldene Lettern wirken unpassend, lautet ein anderer Tipp. Ein gewisses Understatement sollten Bewerber mit ihrer Mappe zum Ausdruck bringen. Beispiele: Kandidaten für einen Bank-Posten wählen nicht etwa Schwarz oder Knallgelb sondern eine gedeckte Farbe wie Dunkelblau. Und erst recht bei Positionen ab einem Jahresgehalt von 100.000 Euro steckt die Mappe nicht in einem Fensterumschlag; handschriftlich mit einem guten Füller kommt die Adresse gediegener daher. Für manchen Mappen- und Bewerbungsexperten ist Dunkelblau eine „Sicherheitsfarbe, mit der man kaum etwas falsch machen kann“. Mit Schwarz assoziierten die einen Trauer, die anderen Eleganz. Grau werde häufig als langweilig angesehen, andererseits sei es ein neutraler Präsentationshintergrund, der sich mit allem kombinieren lasse. Merke: Je weiter man sich von der Sicherheitsfarbe entfernt, desto größer ist das Risiko, falsch zu liegen. Andererseits: Ohne dieses Risiko fällt man auch nicht auf.

Und was ist mit der selbst gebastelten Mappe?
Eine denkbare Variante. Anleitungen gibt es im Internet. Aber Vorsicht vor zu viel Kreativität, zum Beispiel das Logo des Wunsch-Arbeitgebers darauf zu drucken. Das kann zu aufdringlich wirken. Denn Bewerber sollten bedenken: Noch bin ich da noch nicht! Von eigenen Mappenentwürfen ist nicht grundsätzlich abzuraten, so lange die Mappe nicht „wie selbst gebastelt aussieht“.

Ist die klassische Bewerbungsmappe ein Auslaufmodell?
Immer mehr Unternehmen bieten Bewerbern an, ihre Unterlagen alternativ per E-Mail zu schicken. Wenn das so in der Stellenanzeige drin steht, dann auch daran halten, lautet die Faustregel. Anhänge wie Lebenslauf mit Foto, Zeugnisse oder Arbeitsproben werden im pdf-Format verschickt. Auch eine eigene Bewerbungshomepage mit hinterlegten Dokumenten, an die interessierte Arbeitgeber nur mit einem Passwort gelangen, ist eine Alternative zur klassischen Bewerbungsmappe. Egal, ob digital oder klassisch: Mit einer steigenden Bewerber- und Bewerbungsqualität steigt auch die Erwartungshaltung des Unternehmens. In jedem Falle sollte eine Bewerbung sauber durchstrukturiert und originelle Einfälle sollten gut überdacht sein. Dahinter steht der pragmatische Gedanke, dass Personaler wohl selten Papieringenieure oder Faltkünstler sind. Sie möchten nicht umständlich viel aufklappen, herausnehmen und wieder einsortieren, sondern wollen alles gleich finden.

Das Schreibbuch – 2. Auflage erscheint in Kürze

Samstag, Februar 21st, 2009

Spätestens Ende März 2009 erscheint Das Schreibbuch in 2. Auflage

DAS SCHREIBBUCH – das Handbuch für alle, die professionell schreiben. Mein Beitrag darin: Schreibweisen der Wirtschaft – oft nur angeblich innovativ – www.das-schreibbuch.de

Das Schreibbuch richtet sich an alle, die sich professionell mit dem Schreiben beschäftigen. Dazu zählen neben Journalisten und PR-Leuten eben auch Unternehmer und Geschäftsführer, die öfter mal etwas schreiben „müssen“ – sei es eine Pressemitteilung oder ein aktueller Hinweis für die Internetseite. Das Schreibbuch ist ein nutzwertiges, kurzweiliges Buch, das Profis für die Praxis geschrieben haben. Es enthält viele Tipps, Hinweise sowie gute und diskussionswürdige Beispiele.

 

Das Themen-Spektrum ist vielfältig: Die Autoren weisen dem Leser den Weg zur gelungenen Überschrift, zum passenden Einstieg und zeigen ihm, wie er Texte mit Nutzwert verfasst oder was er beachten sollte, wenn er aufmerksamkeitsstark für ein Unternehmen werben möchte. Und es enthält Hinweise für das Internet-Texten und das Schreiben von Teasern. Und es weist den Ausweg aus Schreibblockaden, unter denen sogar Profis hin und wieder leiden.

Medienhaus Waltrop, ISB-Verlag

Internet: www.das-schreibbuch.de

 

Das Schreibbuch – das Handbuch für alle, die professionell schreiben.

Dirk Lehmanski / Michael Braun (Hrsg.). – Waltrop: ISB-Verlag

 

Loslassen kann eine Lösung sein

Montag, November 27th, 2006

Von Daniel Grosse

„Eine Firmenübergabe ist wie ein Staffellauf“, sagt Schreinermeister Helmuth Brehm, 56. Sein Sohn Matthias, 29, soll den Betrieb im Kasseler Stadtteil Wolfsanger übernehmen und das Bestehen des Familienbetriebes in der vierten Generation sichern.

Ein Handwerker werde immer mehr zum Kaufmann, sagt Helmuth Brehm. Das passe es, dass sein Sohn Groß- und Außenhandelskaufmann sowie Küchenfachberater sei. „Trotzdem hat Matthias das Schreinerdenken. Das ist wichtig“, betont der Senior.

Er sieht sich als „Steigbügelhalter“ des Sohnes und will noch vier, fünf Jahre das Geschäft fortführen. Ein anderer Nachfolger kam nicht in Betracht. Wegen Krankheit muss der Vater bereits jetzt lernen loszulassen: „Ich merke von Jahr zu Jahr, wie meine Leistungsfähigkeit nachlässt.“

Nach Abschluss der Unternehmensnachfolge wird der Sohn die Betriebsräume samt Maschinen vom Vater mieten und die Leitung übernehmen. Die Mietzahlungen sollen dem Senior einen Teil der Altersversorgung garantieren.

„Ich habe meinen Sohn nicht genötigt.“ Das bestätigt Matthias, der sagt, dass er sich auf seine neue Aufgabe freue. „Es wird zwar eine Umstelllung werden, und wir haben zum Teil recht unterschiedliche Ansichten, ergänzen uns aber.“

Friseurmeisterin Carolin Göring, 35, ist seit Jahresbeginn Inhaberin des Salons Thöne in Grebenstein (Landkreis Kassel). Von ihrem Vater Wolfgang Thöne, 63, hat sie den Salon gekauft, weil sie einen klaren Schnitt wollte. Ein Darlehen sichert die Finanzierung. Schon Mitte der 90er-Jahre sei klar gewesen, dass sie den Betrieb übernimmt, in dem sie auch gelernt hatte.

Stichwort „starker Vater“ – ein Problem für sie? „Nein. Er hat sich immer mehr aus dem Geschäft zurückgezogen und übernimmt nur noch kaufmännisch-organisatorische Aufgaben. Die Selbstständigkeit hatte ich mir schlimmer vorgestellt“, sagt Carolin Göring.

Quelle: Hessische/Niedersächsische Allgemeine (HNA), 12. August 2005

Tipper in der Grauzone – Verfassungsrichter verhandeln über Sportwetten-Monopol

Mittwoch, November 22nd, 2006

Von Daniel Grosse

Kassel/Karlsruhe. Buchmacher mit festen Gewinnquoten haben es schwer. Sie hoffen auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die ihnen die Tür für einen deutschen Sportwetten-Markt mit Milliarden-Profiten öffnen könnte. Die Karlsruher Richter verhandeln heute eine Weg weisende Verfassungsbeschwerde. Sie wendet sich gegen das Verbot der Veranstaltung von Sportwetten zu festen Gewinnquoten (Az: 1 BvR 1054/01).

„Die Einsätze für Oddset, Pferdewetten und private Sportwetten betrugen 2004 rund drei Milliarden Euro – allein in Deutschland“, schätzt Dr. Hubertus Bardt vom Institut der deutschen Wirtschaft in Köln. Ein Kuchen, von dem viele etwas abhaben wollen. Um nämlich als Anbieter und Vermittler nicht in der rechtlichen Grauzone des Internet Wettbegeisterte zu einem Tipp verführen zu müssen, bleiben zwei Wege: der legale über Fußball- oder Eishockey-Wetten des Anbieters Oddset. Oder der Buchmacher macht sein Geld mit einer der vier Lizenzen aus DDR-Zeiten. Diese sind weiterhin gültig.

Das staatliche Sportwetten-Monopol bröckelt. Hinter dem Wettriesen Oddset steht mit dem Deutschen Toto- und Lottoblock als Anbieter der Staat. Federführend ist die staatliche Lotterieverwaltung des Freistaats Bayern. Sie argumentiert mit Spielsucht und sieht Gefahren. Im Gegensatz zu den gesetzlich nicht zugelassenen Wettanbietern, die naturgemäß auf eine Maximierung ihrer Umsätze und Gewinne aus seien, verfolge Oddset andere Interessen, sagt Oliver Frisch vom Referat Marketing und Sportwetten. „Das Wettangebot orientiert sich an rein sportlichen Gesichtspunkten sowie dem Schutz vor exzessivem Spielen und den damit verbundenen negativen Folgen für den Spieler und seine Familie.“

Um dem zu begegnen, setzen Anbieter wie das Internetportal Eurosportwetten.com auf Vorbeugung: „Von Spielsucht ist dann die Rede, wenn das Spielen-wollen zur Besessenheit wird, zum beherrschenden Drang“, steht dort. Tipps zur Selbstdiagnose und gesundem Tippen folgen.

Das zweite Argument der staatlichen Anbieter gegen ein Kippen des Sportwetten-Monopols: die Sportförderung. Paragraf 3 des Gesetzes über staatliche Sportwetten sieht vor: „Von den Spieleinsätzen der vom Land Hessen veranstalteten Sportwetten erhält der Landessportbund Hessen 3,75 Prozent.“

Eine Liberalisierung des Weltmarktes hätte fatale Folgen, befürchtet Rolf Hocke, Vizepräsident des Landessportbundes Hessen. „Die Einnahmen aus Lotto-Toto und Glücksspirale werden drastisch zurückgehen und damit die Förderung des Sports erheblich einschränken.“ Für die Vereine bedeute dies: weniger Geld für neue Sportstätten, Sportgeräte und Übungsleiter.

Wie die Karlsruher Richter auch entscheiden, Wirtschaftsexperte Bardt zählt auf den Gesetzgeber: „Der Verbraucherschutz muss gewährleistet sein.“

Quelle: Hessische-Niedersächsische Allgemeine (HNA), 8. November 2005

Gelegenheit macht Diebe – Konsumforscher Wolfgang Twardawa über flexible Ladenöffnungszeiten während der Fußball-Weltmeisterschaft

Samstag, November 18th, 2006

Von Daniel Grosse

Nürnberg. Die kommende Fußball-Weltmeisterschaft hat die Diskussion über längere Ladenöffnungszeiten in Hessen entfacht. Wir sprachen darüber mit Konsumforscher Wolfgang Twardawa.

Herr Twardawa, wie viel Ladenöffnungszeit brauchen wir?

Wolfgang Twardawa: Das kann man pauschal nicht beantworten. Es gibt Konsumenten, die Zeit haben, aber kein Geld – und andersherum. Für die erste Gruppe führen längere Öffnungszeiten nur zu einer Verschiebung, aber nicht zu mehr Konsum. Die Menschen kaufen nur zu anderen Tageszeiten ein. Die zweite Gruppe hat wenig Zeit. Geht sie häufiger einkaufen, führt das zu einem Mehrverbrauch – getreu dem Sprichwort: „Gelegenheit macht Diebe“.

Und warum brauchen wir gerade während der Fußballweltmeisterschaft längere Öffnungszeiten?

Twardawa: Wir erwarten sehr viele Besucher aus Ländern, in denen die Öffnungszeiten freier sind, und die erwarten, dass sie auch bei uns flexibel einkaufen können. Außerdem gibt die WM einen anderen Takt vor für andere Einkaufszeiten.

Aber wird jemand um 23 Uhr nach einer Fußballspiel-Übertragung noch in den Supermarkt gehen?

Twardawa: Viele werden sich die Spiele nicht zu Hause anschauen. Sie teilen sich die Zeiten anders ein. Deshalb machen längere Öffnungszeiten sowohl für die ausländischen Gäste als auch für die Einheimischen Sinn.

Gilt das auch für die Sonntage und die Zeit nach der WM?

Twardawa: Die Sinnfrage muss lauten: Offene Geschäfte 24 Stunden an sieben Tagen in der Woche? Eine Flexibilisierung sollte sein, aber nicht zu 100 Prozent. Nicht alle Geschäfte sollten sonntags öffnen. Wohl aber die für Waren des täglichen Bedarfs, wie zum Beispiel Lebensmittel. Brötchen gibt es schon heute sonntags zu kaufen. Man sollte es dem Handel überlassen, wie er seine Öffnungszeiten gestaltet. Wenn der Juwelier meint, dass er seine Kunden erst um 20 Uhr kommen lässt, dann wird er eben nicht schon um 9 Uhr öffnen.

Wolfgang Twardawa (62) ist Betriebswirt und arbeitet als Marketingleiter bei der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) in Nürnberg.

Quelle: Hessische/Niedersächsische Allgemeine (HNA), 19. Januar 2006

Wer rechtzeitig plant, kann Geld sparen – Bei Unternehmensnachfolge können Steuerforderungen zu einer Belastung für Betriebe werden – Auch Erbansprüche berücksichtigen

Montag, November 13th, 2006

Von Daniel Grosse

Vor der Übertragung eines Unternehmens sind auch wichtige rechtliche Fragen zu klären. Beispiel Steuern: Bei einem Verkauf müssen die stillen Reserven aufgedeckt werden, die den Wert des Unternehmens stark erhöhen können. Das wirkt sich wiederum auf die Einkommensteuer aus. Ob Schenkung, Pacht oder gar Miete der beste Weg ist, das Unternehmen zu übertragen, sollte ein Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder Rechtsanwalt prüfen. „Es muss eine Strategie entwickelt werden, damit sich die bei der Übertragung entstehenden Steuerforderungen nicht zu einer unkontrollierbaren Liquiditätsbelastung entwickeln“, rät Berthold Theuffel-Werhahn, geschäftsführender Rechtsanwalt bei der Unternehmensberatung Pricewaterhouse Coopers Legal AG in Kassel.

Neben die steuerrechtlichen Fragen treten erbrechtliche: Kinder, die bei der Nachfolge unberücksichtigt bleiben, können Ausgleichsansprüche geltend machen, die den Betrieb wirtschaftlich belasten können. Eine rechtzeitige Planung dient also nicht nur dem Familienfrieden.

„Das schlimmste ist, wenn der Chef vom Dach fällt und nichts geregelt ist“, sagt Wolfgang Miethke, Berater bei der Handwerkskammer Hildesheim-Südniedersachsen. Viele Unternehmensinhaber hätten kein Testament. Das sei kurzsichtig, da nach einem unverhofften Todesfall die gesetzliche Erbfolge die Existenz des Betriebes gefährden könne.

Quelle: Hessische/Niedersächsische Allgemeine (HNA), 12. August 2005

71 000 freie Jobs – Firmenchefs reif für Stabübergabe – Nachfolgersuche beginnt oft zu spät

Montag, November 13th, 2006

Von Daniel Grosse

Auf die Frage, wann Unternehmer sich mit dem Thema Nachfolge beschäftigen, hat Peter Rudolph nur eine Antwort: „Zu spät.“ Die Erfahrungen des Beraters der Handwerkskammer Kassel bestätigen die Zahlen des Instituts für Mittelstandsforschung in Bonn: Danach stehen in diesem Jahr 71 000 Firmenchefs in Deutschland vor der unbeantworteten Frage, wer ihr Unternehmen übernimmt. Immer mehr Firmen werden verkauft, weil die Nachfolge nicht geregelt werden kann. 5900 Unternehmen werden mangels Nachfolger sogar stillgelegt, 33 500 Stellen gehen verloren.

„Ohne Zweifel ist die Unternehmensnachfolge das bedeutendste Wirtschaftsthema für mittelständische, Inhabergeführte Unternehmen“, sagt Steuerrechtler Berthold Theuffel-Werhahn, geschäftsführender Rechtsanwalt der Unternehmensberatung Pricewaterhouse Coopers Legal AG in Kassel. Für eine rechtzeitige Nachfolgesuche spreche, dass der Übernehmer eingearbeitet werden müsse. Einen weiteren Grund nennt Wolfgang Miethke, Berater bei der Handwerkskammer Hildesheim-Südniedersachsen: „Unter Zeitdruck werden bei so wichtigen Fragen häufig Fehler gemacht.“ Er rät Unternehmern, sich schon fünf Jahre vor der geplanten Übergabe mit dem Thema ausein-anderzusetzen.

Vor allem der Qualifikation, dem Lebensalter und der Persönlichkeit des Kandidaten komme große Bedeutung zu, sagt Theuffel-Werhahn. Und der Senior müsse die Frage klären: Will der eigene Nachwuchs den elterlichen Betrieb überhaupt fortführen?

Die Weitergabe an Familienmitglieder ist allerdings nur eine Möglichkeit. Eine zunehmende Zahl von Verkäufen an Externe beobachtet Carsten Heustock, zuständig für Unternehmernachfolge bei der Industrie- und Handelskammer Kassel. Vor allem im Handel orientierten sich die Kinder der Kaufleute beruflich häufig in eine andere Richtung. „Viele wollen nicht mehr hinter dem Tresen stehen.“

Ist der Nachfolger gefunden, muss der Unternehmer loslassen. Nur die Hälfte der scheidenden Inhaber könne das jedoch, schätzt Berater Peter Rudolph von der Handwerkskammer Kassel. „Viele wollen die Kinder nicht erwachsen werden lassen.“ Aber: „Es schadet einem Unternehmen, wenn der Eindruck entsteht, der Seniorchef und sein Nachfolger hätten unterschiedliche Vorstellungen darüber, wer das Unternehmen führt“, sagt Theuffel-Werhahn.

Egal, an wen der Unternehmer seinen Betrieb letztlich übergibt, und ob er ihn verkauft oder verpachtet – eine wichtige Überlegung muss sein: Reicht der Ertrag im Alter zum Leben?

Quelle: Hessische/Niedersächsische Allgemeine (HNA), 12. August 2005