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Geiselnahme in Kita in Köln – Täter bald vor Gericht – Ein Gespräch über Sicherheit – von Daniel Grosse

Mittwoch, September 18th, 2013

Fünf Monate nach dem unblutigen Ende einer Geiselnahme in einer Kölner Kindertagesstätte (Kita) hat die Kölner Staatsanwaltschaft Mehmet D. (47) jetzt wegen Menschenraubs, Erpressung und Körperverletzung angeklagt, berichtete vor wenigen Tagen der Kölner Stadtanzeiger in seiner Online-Ausgabe. Nach Einschätzung der Ermittler sei mit einem Prozessbeginn Anfang nächsten Jahres zu rechnen. Mindestens sechs Sachverständige und mehr als 60 Zeugen sollen dann gehört werden.

Im April 2013 hatte ein Geiselnehmer in einer Kölner Kita deren Leiter gefangengehalten und mit einem Messer bedroht. Der Mann hatte schließlich dem Kita-Leiter neben einem tiefen Messerstich in den Oberschenkel Schnittverletzungen an Händen und Oberkörper zugefügt. Spezialeinheiten der Polizei waren vor Ort und verhandelten mit dem Geiselnehmer. Schließlich überwältigte ein Spezialeinsatzkommando den 47-jährigen Täter und befreite die Geisel. Nach Polizeiangaben stand fest, dass die Erzieherinnen schon frühzeitig alle 17 Kinder, die sich zu diesem Zeitpunkt in der Tagesstätte aufhielten, aus dem Gebäude in Sicherheit gebracht hatten.

Über Geiselnahmen in Kitas und Sicherheit für die Kinder hatte ich im April mit Judith Barth, Rechtsanwältin und Chefredakteurin von „Recht & Sicherheit in der KiTa“, gesprochen.

Frau Barth, wie können sich Kitas vor solchen Übergriffen schützen?
Judith Barth: Tatsächlich ist das schwierig. Eine hundertprozentige Sicherheit kann es nicht geben, da Kitas ja Orte der Begegnung sind. Dennoch empfehle ich Einrichtungen immer, den Zugang für Unbefugte zu beschränken.

Was ist zu tun?
Judith Barth: Zugangstüren sollten nach den Bring- und Abholphasen von außen nicht zu öffnen sein. Der Brandschutz kann durch so genannte Panikschlösser sichergestellt werden, das heißt, die Türen lassen sich von innen öffnen, sind von außen aber nur mit Schlüssel zu öffnen. Dies sorgt schon einmal für eine gewisse Sicherheit, wenn es um den unbemerkten Zutritt durch unbefugte Dritte geht.

Klingt umständlich. Funktioniert das im wilden Kita-Alltag?
Judith Barth: Man muss sich natürlich darüber im Klaren sein, dass diese Lösung in den Bring- und Abholphasen nicht trägt. Da bleibt letztlich nur, dass Mitarbeiterinnen und Eltern aufmerksam sind und sofort handeln, wenn sich auf dem Kita-Gelände auffällige Personen aufhalten. Dann gilt es, die Leitung und eventuell auch die Polizei zu informieren.

Wann kann es gefährlich werden?
Judith Barth: Besonders kritisch sind aus meiner Erfahrung Situationen, in denen Eltern die Kontrolle verlieren – zum Beispiel bei Sorgerechtsstreitigkeiten – und sich gegenüber Kita-Mitarbeiterinnen aggressiv verhalten. In beiden Fällen, also beim Auftreten Unbefugter und bei Ausrastern von Eltern, ist es aus meiner Sicht sehr wichtig, dass das Team sich bereits im Vorfeld Gedanken macht, wie es mit solchen schwierigen Situationen umgeht und einen Alarm- oder Notfallplan entwickelt, der auf die jeweilige Einrichtung zugeschnitten sein muss. Patentrezepte gibt es hier nicht. Aus meiner Erfahrung helfen hier die örtlichen Polizeidienststellen gerne bei der Entwicklung eines solchen Plans.

Was umfasst solch ein Plan?
Judith Barth: Es sollte geklärt werden, wie die übrigen Mitarbeiterinnen gewarnt werden, wann die Polizei alarmiert wird und wie die Kinder aus der Gefahrenzone gebracht werden. Denn ebenso wie in Brandsituationen ist es wichtig, dass jeder weiß, was er zu tun hat, ohne lange darüber nachdenken zu müssen.

Die Geiselnahme in der Kölner Kita ist furchtbar. Auch die Entführung eines Kindes aus einer Kita ist ein Horrorszenario. Eltern im ganzen Land sorgen sich um die Sicherheit ihrer Kinder. Wie sollten Kita-Leiter und Mitarbeiter mit verunsicherten Eltern umgehen, was ihnen sagen?
Judith Barth: Kita-Leitungen sollten aus meiner Sicht die Sorge der Eltern ernst nehmen. Allerdings darf man die Situation auch nicht überdramatisieren. Gott sei Dank sind solche Vorkommnisse ja die absolute Ausnahme. Die Leitungen können die Eltern aber über die in der Einrichtung bereits getroffenen Sicherheitsmaßnahmen für solche Situationen informieren und für die Einhaltung dieser Regeln sensibilisieren. Denn Eltern reagieren oft mit Unmut, wenn sie zu spät kommen und klingeln müssen, um in die Kita zu kommen. Diese Situation eignet sich hervorragend, um Eltern das Thema „geschlossene Türen“ nachhaltig zu vermitteln.

Und was hilft den Kindern?
Judith Barth: Wichtig erscheint mir, dass Erzieherinnen und Eltern sich gemeinsam überlegen, wie sie den Kindern vermitteln, dass sie in ihrer Kita nichts zu befürchten haben. Denn man darf nicht unterschätzen, was Kinder auch schon im Kita-Alter aus den Medien und aus Gesprächen mitbekommen und nicht richtig einordnen können. Hier gilt es vor allem, den Kindern die Angst zu nehmen.

Interview: Daniel Grosse