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Hauptsache verständlich – Barrierefreiheit im Internet öffnet Türen

Freitag, Februar 14th, 2014

Barrierefreie Internetseiten und Texte kann jeder schnell erfassen. Alle Leser, egal ob sehend, blind oder sehbehindert. Was das ganze mit Google, verschachtelten Nebensätzen, Schriftsprache, HTML und dem roten Faden zu tun hat?

Wie Schriftsprache aussehen sollte, damit auch Menschen mit Behinderung sie auf Internetseiten verständlich wahrnehmen können, erklärt Jan Eric Hellbusch, Autor und Berater für barrierefreies Webdesign.

Unterscheidet sich geschriebene Sprache auf barrierefreien Internetseiten von der Sprache auf herkömmlichen Seiten?

Jan Eric Hellbusch: Das sollte sie nicht, denn eine barrierefreie Sprache ist eine verständliche Sprache. Natürlich gibt es Fachtexte und andere komplexe Dokumente, die ihrem Wesen nach abstrakt oder nicht für jeden verständlich sind. Solche Texte sind aber meist nicht speziell für das Web geschrieben. Wer für das Web schreibt, schreibt kurz und prägnant, verwendet einfachere Formulierungen und achtet auf eine gute Gliederung der Texte.

Was ist noch wichtig?

Hellbusch: In Sachen Barrierefreiheit dürfen Menschen mit Lernschwierigkeiten nicht vernachlässigt werden. Hierzu gibt es besondere Anforderungen an die Verständlichkeit, etwa die Bereitstellung von Glossaren für schwierige Wörter oder die Anreicherung von Texten mit ausdrucksvollen Symbolen. Solche Aspekte betreffen aber eher Konzept und Gestaltung eines Webauftritts. Wie für alle Leser kommt es auch bei Menschen mit Lernschwierigkeiten auf eine gute Verständlichkeit der Texte selbst an.

Welche Struktur sollten Texte denn haben?

Hellbusch: Die Struktur von Texten ist ein wichtiger Aspekt der Gliederung. Es geht dabei um die Verwendung von Überschriften und Zwischenüberschriften genauso wie die Verwendung von kurzen Absätzen oder von Listen für Aufzählungen. Diese Strukturmerkmale eines Textes helfen dem Leser wesentlich bei der Bildung eines Textmodells. Gerade im Web sollte aber auch mit Übersichten gearbeitet werden. Vorangestellte Vorstrukturierungen eines Textes helfen genauso bei der Textmodellbildung wie abschließende Zusammenfassungen.

Und was meinen Sie mit „einfachen Formulierungen“?

Hellbusch: Ich möchte mit einer Gegenfrage antworten: Sind alle Begriffe in Ihrem Text auch solche, die eine beliebige Nutzerin oder ein beliebiger Nutzer bei Google eintippen würden? Das Web ist kein spezialisiertes Forum, wo sich nur Fachleute einfinden. Wer Inhalte ins Web stellt, so nehme ich an, will auch gefunden werden. Deswegen sind geläufige Begriffe ein wichtiges Kriterium für barrierefreie Texte. Der Assoziationswert von bekannten Wörtern ist höher als bei unbekannten Wörtern und deswegen leichter zu verstehen; meist sind kurze Wörter auch bekannte Wörter. Gleiches gilt auch für konkrete Begriffe, wobei die Unterscheidung zwischen „konkret“ und „abstrakt“ nur schwer festgelegt werden kann. Es sieht beim Satzbau ähnlich aus: Viele Menschen möchten Inhalte überfliegen, wesentliche Aussagen erfassen und danach zum nächsten Text fliegen. Lange Sätze, viele verschachtelte Nebensätze und ein fehlender roter Faden fordern höhere Konzentration und führen dazu, dass Texte nicht zu Ende gelesen oder gar nicht richtig verstanden werden. Deshalb lautet die Devise, Sätze kurz zu halten und möglichst nur einen Gedanken pro Satz zu verfolgen.

Wann überfordern Webtexte vor allem Blinde und Sehbehinderte?

Hellbusch: Diese sind zwei sehr unterschiedliche Nutzergruppen. Blinde verwenden eine Sprachausgabe oder eine Braille-Zeile um Inhalte zu lesen und den Computer zu bedienen. Sehbehinderte arbeiten hingegen am Bildschirm und verwenden dabei Vergrößerungssysteme oder verändern die Bildschirmeinstellungen, je nach ihren individuellen Anforderungen. Gerade in der Sprachausgabe können Texte mit vielen Abkürzungen und/oder Fremdwörtern zu einem Problem werden, denn diese werden so von der Sprachausgabe gelesen, wie sie auf dem Bildschirm stehen. Es ist deshalb wichtig, dass solche Textteile entsprechend mit den dafür vorgesehenen HTML-Elementen ausgezeichnet werden. Überhaupt spielt HTML für blinde Nutzerinnen und Nutzer eine wichtige Rolle.

Warum?

Hellbusch: Die Technik zur Auszeichnung von Überschriften, Absätzen, Listen oder Tabellen ist essentiell für die Erfassung von Texten im Web. Großer fetter Text wird erst dann als Überschrift erkannt, wenn er tatsächlich mit einem HTML-Überschriftenelement ausgezeichnet wird. Solche Aspekte haben weniger mit dem Schreiben selbst, sondern mehr mit der Standardkonformität des Internetauftritts zu tun. Für Sehbehinderte liegen die Probleme oft im gestalterischen Bereich. Durch den Einsatz von Vergrößerungssystemen ist oft nur ein kleiner Teil des Bildschirms sichtbar. Wenn die Gestaltung der Internetseiten horizontales Scrollen erzwingt, dann ist flüssiges Lesen kaum noch möglich.

So etwas wie ein Fazit?

Hellbusch: Insgesamt gilt für Sehbehinderte wie für Blinde und für viele andere Nutzerinnen und Nutzer, dass kurze Absätze und eine gute Gliederung mit Überschriften und anderen Elementen die Lesbarkeit fördern. Das, was technisch für eine Sprachausgabe erforderlich ist, ist für das Lesen am Bildschirm ebenso förderlich.

Interview: Daniel Grosse