Marbacher Grundschüler und ihr Stress – oder wie das heißt

Anstrengend, gar stressig, wird es für Schüler, wenn ihre Welt auf dem Kopf steht.     Foto: Daniel Grosse

von Daniel Grosse

Stress kannten Grundschüler früher nicht, in den 80er-, 70er- oder 60er-Jahren. Das Wort Stress zumindest nicht. Sie fühlten etwas. Schule war vielleicht bisweilen anstrengend. Sie mussten lernen, Hausaufgaben machen, Lehrer zufriedenstellen – zusätzlich erfolgreich sein. Hinzu kamen Freizeit und Familie. All das war – auch – anstrengend. Zurück zur Begrifflichkeit. Damals wurde noch nicht gemobbt, sondern gehänselt. Und Schüler und ihr Stress? Stress? Wie nannte man das eigentlich vor 20, 30 oder 40 Jahren? Und fühlten die Schülerinnen und Schüler so wie die, die in den heutigen Grundschulen lernen?

Dazu, also zum Schulstress, hat heute Morgen die Techniker Krankenkasse eine Pressemitteilung verschickt. Auch an dieses Blog „Marbach direkt“. „Bleib locker!“, ist zu lesen, heiße es noch bis in den Dezember hinein für die vierten Klassen der Grundschule Marbach in Marburg. In einem speziellen Anti-Stress-Programm lernen Kinder verschiedene Entspannungsmethoden sowie Strategien, die ihnen helfen, stressige Situationen frühzeitig zu erkennen und zu bewältigen. Das für Grundschüler entwickelte Stress-Präventionskonzept „Bleib locker!“ sei ein Angebot der – na ja, der besagten Krankenkasse.

Scheinbar schließt das Anti-Stress-Konzept für die Grundschule Marbach eine Lücke. Bisher standen Projekte für mehr Bewegung, für Lehrergesundheit, bessere Ernährung und Gewaltprävention im Vordergrund. Mit diesem Engagement für die Kinder, Eltern und Lehrkräfte hat sich die Schule bereits voriges Jahr das Gesamtzertifikat „Gesundheitsfördernde Schule“ des Hessischen Kultusministeriums erarbeitet. „Das Projekt passt deshalb für unsere Schule gut in die Lücke unserer sonst sehr verzahnten gesundheitsförderlichen Angebote“, zitiert die Krankenkasse Beate Wagner-Nowicki, Schulleiterin der Grundschule Marbach. Gerade für die Kinder der vierten Klassen sei der Übergang zur weiterführenden Schule für viele mit Leistungsdruck und Stress verbunden, so Wagner-Nowicki, so komme der Kurs jetzt gerade recht und trage auch dazu bei, die Resilienz der Schüler zu stärken. Sie meint damit die psychische Widerstandsfähigkeit als Fähigkeit, Krisen zu bewältigen.

„Untersuchungen zeigen, dass schon Kinder im Grundschulalter unter Stress-Symptomen wie Schlafstörungen, Kopfweh oder Appetitlosigkeit leiden“, sagt Dr. Barbara Voß, Leiterin der TK-Landesvertretung Hessen. Das TK-Angebot wirke dem nachhaltig entgegen.

Aber was passiert da eigentlich konkret in der Marbacher Grundschule? Beim TK-Projekt „Bleib locker“ lernt der Nachwuchs in acht Einheiten à 90 Minuten effektiv mit Stress umzugehen und diesen wirksam zu bewältigen. Eigens geschulte Fachkräfte leiten das Präventionskonzept an. Das Programm ist ein Angebot für Grundschulen, die den Kindern der dritten und vierten Klassen gezielte Stressbewältigung ermöglichen wollen. Die Referenten setzen dafür im Unterricht verschiedenste Materialien ein: ein Arbeitsheft, in dem die Schüler beispielsweise einzeichnen, wo sie gegebenenfalls Schmerzen empfinden, wenn sie sehr angestrengt sind; außerdem eine kindgerecht aufbereitete CD mit Übungen aus der progressiven Muskelentspannung, bei denen die Schüler Muskeln bewusst an- und dann wieder gezielt entspannen. „Die CD wird von den Kindern sehr gut angenommen und auch gemeinsam mit den Eltern, Oma, Opa und anderen Kindern in der Familie gehört. In der Gruppe in Marburg gibt ein Drittel der Klasse an, die CD mehrmals in der Woche zu hören“, erzählt Sozialpädagogin Kerstin Itzenhäuser, von der Evangelischen Familien-Bildungsstätte in Marburg. Sie gehört zu dem Team, das „Bleib locker!“ an der Grundschule Marbach anbietet. Sie zeigt sich vom Konzept überzeugt: „Im Kurs hat sich sehr rasch eine vertraute Atmosphäre entwickelt. Die Kinder haben das Thema sehr gut angenommen, schnell belastende Situationen erkannt, diese benannt und selbst Lösungsideen entwickelt.“

Die Eltern werden des Weiteren durch einen Elternabend in den Kurs eingebunden und erhalten die Elternbroschüre „Kinder und Stress. Mehr Gelassenheit für Eltern und Kinder.“

Hintergrund:
Das Konzept „Bleib locker“ ist ein Anti-Stressbewältigungsprogramm und richtet sich an Kinder zwischen acht und elf Jahren. Es wurde in Kooperation der TK und der Philipps-Universität Marburg, unter Leitung von Prof. Dr. Arnold Lohaus, entwickelt und wissenschaftlich evaluiert. Prof. Lohaus ist heute an der Universität Bielefeld tätig, er ist allerdings weiterhin für die Ausbildung der Referenten des Programms zuständig.

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