Nichts ist mehr im Lot

Von Daniel Grosse

Mardorf. Spät war es gestern. Trotzdem wacht er in aller Frühe auf. So ist es oft. Vielleicht noch eine Angewohnheit aus der Zeit, als er wenigstens als Praktikant einen geregelten Tag hatte. Mirko Wenderoth, 23, ist ohne festen Job, arbeitslos. Und das schon mehr als zwei Jahre.

Auch Alkohol habe er deswegen schon zu viel getrunken, erzählt er. Als so genannter Ein-Euro-Jobber will er arbeiten, endlich wieder eine Struktur haben. Jetzt wartet er auf positive Nachricht vom Amt.

Wenderoth: „Ich habe keine Lust mehr, rumzusitzen. Die Situation ist heftig. Auch Depressionen habe ich deswegen schon gehabt.“ Die 334 Euro Arbeitslosenhilfe pro Monat reichen ihm zwar – trotz 50 Euro Kostgeld, die er jeden Monat an seine Eltern zahlt. Denn er wohnt noch zu Hause. Wegen der 1,50 Euro pro Stunde hat er sich auch nicht gemeldet. Er braucht wieder einen geregelten Alltag. „Ich würde gerne im Garten- oder Landschaftsbau arbeiten. Oder auch nur fegen oder Hecken schneiden“, sagt Wenderoth.

Mehr als 30 Bewerbungen hat er schon geschrieben. Noch nicht einmal zu einem Vorstellungsgespräch sei er eingeladen worden, erzählt er. Dabei hat Wenderoth einen Gesellenbrief. Metallbearbeiter steht dort. Mit Brief und Siegel. Wenderoth ist qualifiziert, hat sich durchgekämpft. Vor der Abschlussprüfung war er auf der Schule für Lernhilfe in Homberg. Nach der 10. Klasse hatte er seinen Hauptschulabschluss in der Tasche. „Metallbearbeitung gefiel mir gut. Bei den Metallarbeiten hatte ich am meisten Geduld.“

Wenderoth zeigt zwei beinhohe Kerzenständer aus Metall. Während seiner Lehre hat er sie angefertigt, dafür kunstvoll Eisenstäbe gebogen und Kerzenhalter gesägt. Auch ein Lot, wie Handwerker es benutzen, liegt in seinem Zimmer. Er hat es selbst hergestellt. Neues hat Wenderoth in den vergangenen Monaten nicht gesägt, gefräst oder geschweißt. Er sieht nachdenklich aus. Doch, Lust mal wieder etwas zu bauen, hätte er schon, sagt er und erzählt von einem großen Wunsch: „Hätte ich genug Geld, würde ich mir ein Schweißgerät anschaffen.“ Doch die 1000 Euro dafür hat er nicht.

So wartet Wenderoth weiter auf Nachricht vom Amt. Damit er starten kann, wenn auch nur als so genannter Ein-Euro-Jobber. Bis dahin lenkt er sich ab, hört Hardrock-Musik. Und er wird wohl auch morgen wieder in aller Frühe wach werden. Gewohnheit.

Quelle: Hessische/Niedersächsische Allgemeine (HNA), 27. Oktober 2004

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