Was bleibt, ist die Angst – Kriminelle Taten bedeuten einen Einschnitt – Opfer berichten

Von Daniel Grosse

Frankenberg. Im Februar diesen Jahres wurde Michaela S. (Namen geändert), elf, auf dem Burgberg in Frankenberg sexuell missbraucht. Mit zehn Kindern war sie an diesem Tag unterwegs. Sie spielten, waren fröhlich. Als Michaela und ihre Freundin an einem Gartenhaus vorbeikamen, wurden die beiden von einem Mann, Christian B., angesprochen. Er sagte zu den Mädchen: „Kommt mal mit, Fotos angucken.“ Die schauten sie sich an, ganz normale Kinderfotos. Was folgte, waren Fragespielchen wie: In welcher Klasse seid ihr? Auf welcher Schule? Wie alt?

„Bist du mutig?“ hieß das nächste Spiel. Er berührte die Füße der Mädchen, dann die Beine und führte seine Hand in deren Hosen. Die Mädchen schafften es, zu fliehen.

Das spätere Strafurteil für den Täter wegen sexueller Nötigung – angewendet wurde Jugendstrafrecht: zwei Wochenenden Freizeitarrest. Auch einer Therapie muss er sich unterziehen.

Äußerlich und auf den ersten Blick ist Michaela S. heute nichts mehr von der Tat anzumerken. Sprechen über das Erlebte will sie mit Fremden aber nicht. „Sie hat in der Schule komplett abgebaut. Sie hat Albträume, sie spricht im Schlaf“, erzählt die Mutter. „Wenn sie danach ein Auto sah, das rot war wie das von Christian B., dann hat sich meine Tochter hinter mich gestellt.“ Die Mutter berichtet, dass sich das Mädchen jetzt schäme, und dass sie sich nicht mehr nackt zeigen möchte.

Per Antrag haben die Eltern Michaela in der Schule zurückstufen lassen. Sie wiederholt zurzeit die fünfte Klasse.

„Unsere Tochter ist ganz anders geworden. Wir müssen aufpassen, dass sie uns nicht weggleitet.“ Die Mutter hat Briefe gefunden, in denen ihre Tochter sich die Schuld für die Vorfälle gibt. „Ich habe ihr gesagt ‚Du bist nicht schuld!‘ .“

Den Zustand von Michaela am Tag der Gerichtsverhandlung beschreibt ihre Mutter als „zitternd“. Und den Urteilsspruch nennt sie „einen Witz“.

Nach der Tat war das elfjährige Mädchen in psychologischer Behandlung. Die Therapeutin hat der Mutter Hoffnung gemacht und gesagt: „Ihre Tochter ist eine starke Persönlichkeit.“

Andere Tat, andere Opfer: An einem Sonntag im Sommer diesen Jahres wurden die Röddenauer Martin G. und seine Frau Opfer blinder Zerstörungswut. Martin G. fuhr an diesem Tag mit seinem Golf zum Angeln nach Frankenberg. Seinen Wagen parkte er auf der Wehrweide. Kurz nach acht kam sein Bruder und rief ihm zu: „Dein Auto ist demoliert worden. Die Polizei sucht dich.“ Auf dem Parkplatz fehlten Pflastersteine. Scheiben und Türen waren eingeschlagen und eingetreten.

Ein Schock war das für Martin G. und seine Frau – vor allem finanziell. Mit solchen Ausgaben hätten sie nicht gerechnet, sagen sie heute. Eine Versicherung sprang nicht ein. Außerdem waren sie auf ein Auto angewiesen. Verwandte und die Opferschutzorganisation Weißer Ring halfen mit dem Nötigsten. Auch die Reise an ihrem 20. Hochzeitstag mussten sie verschieben. „Jetzt haben wir gelernt, nichts mehr zu planen.“ Im Oktober kommt ihr Fall vor Gericht.

Quelle: Hessische/Niedersächsische Allgemeine (HNA), 3. Oktober 2004

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