71 000 freie Jobs – Firmenchefs reif für Stabübergabe – Nachfolgersuche beginnt oft zu spät

Von Daniel Grosse

Auf die Frage, wann Unternehmer sich mit dem Thema Nachfolge beschäftigen, hat Peter Rudolph nur eine Antwort: „Zu spät.“ Die Erfahrungen des Beraters der Handwerkskammer Kassel bestätigen die Zahlen des Instituts für Mittelstandsforschung in Bonn: Danach stehen in diesem Jahr 71 000 Firmenchefs in Deutschland vor der unbeantworteten Frage, wer ihr Unternehmen übernimmt. Immer mehr Firmen werden verkauft, weil die Nachfolge nicht geregelt werden kann. 5900 Unternehmen werden mangels Nachfolger sogar stillgelegt, 33 500 Stellen gehen verloren.

„Ohne Zweifel ist die Unternehmensnachfolge das bedeutendste Wirtschaftsthema für mittelständische, Inhabergeführte Unternehmen“, sagt Steuerrechtler Berthold Theuffel-Werhahn, geschäftsführender Rechtsanwalt der Unternehmensberatung Pricewaterhouse Coopers Legal AG in Kassel. Für eine rechtzeitige Nachfolgesuche spreche, dass der Übernehmer eingearbeitet werden müsse. Einen weiteren Grund nennt Wolfgang Miethke, Berater bei der Handwerkskammer Hildesheim-Südniedersachsen: „Unter Zeitdruck werden bei so wichtigen Fragen häufig Fehler gemacht.“ Er rät Unternehmern, sich schon fünf Jahre vor der geplanten Übergabe mit dem Thema ausein-anderzusetzen.

Vor allem der Qualifikation, dem Lebensalter und der Persönlichkeit des Kandidaten komme große Bedeutung zu, sagt Theuffel-Werhahn. Und der Senior müsse die Frage klären: Will der eigene Nachwuchs den elterlichen Betrieb überhaupt fortführen?

Die Weitergabe an Familienmitglieder ist allerdings nur eine Möglichkeit. Eine zunehmende Zahl von Verkäufen an Externe beobachtet Carsten Heustock, zuständig für Unternehmernachfolge bei der Industrie- und Handelskammer Kassel. Vor allem im Handel orientierten sich die Kinder der Kaufleute beruflich häufig in eine andere Richtung. „Viele wollen nicht mehr hinter dem Tresen stehen.“

Ist der Nachfolger gefunden, muss der Unternehmer loslassen. Nur die Hälfte der scheidenden Inhaber könne das jedoch, schätzt Berater Peter Rudolph von der Handwerkskammer Kassel. „Viele wollen die Kinder nicht erwachsen werden lassen.“ Aber: „Es schadet einem Unternehmen, wenn der Eindruck entsteht, der Seniorchef und sein Nachfolger hätten unterschiedliche Vorstellungen darüber, wer das Unternehmen führt“, sagt Theuffel-Werhahn.

Egal, an wen der Unternehmer seinen Betrieb letztlich übergibt, und ob er ihn verkauft oder verpachtet – eine wichtige Überlegung muss sein: Reicht der Ertrag im Alter zum Leben?

Quelle: Hessische/Niedersächsische Allgemeine (HNA), 12. August 2005

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