Gelegenheit macht Diebe – Konsumforscher Wolfgang Twardawa über flexible Ladenöffnungszeiten während der Fußball-Weltmeisterschaft

Von Daniel Grosse

Nürnberg. Die kommende Fußball-Weltmeisterschaft hat die Diskussion über längere Ladenöffnungszeiten in Hessen entfacht. Wir sprachen darüber mit Konsumforscher Wolfgang Twardawa.

Herr Twardawa, wie viel Ladenöffnungszeit brauchen wir?

Wolfgang Twardawa: Das kann man pauschal nicht beantworten. Es gibt Konsumenten, die Zeit haben, aber kein Geld – und andersherum. Für die erste Gruppe führen längere Öffnungszeiten nur zu einer Verschiebung, aber nicht zu mehr Konsum. Die Menschen kaufen nur zu anderen Tageszeiten ein. Die zweite Gruppe hat wenig Zeit. Geht sie häufiger einkaufen, führt das zu einem Mehrverbrauch – getreu dem Sprichwort: „Gelegenheit macht Diebe“.

Und warum brauchen wir gerade während der Fußballweltmeisterschaft längere Öffnungszeiten?

Twardawa: Wir erwarten sehr viele Besucher aus Ländern, in denen die Öffnungszeiten freier sind, und die erwarten, dass sie auch bei uns flexibel einkaufen können. Außerdem gibt die WM einen anderen Takt vor für andere Einkaufszeiten.

Aber wird jemand um 23 Uhr nach einer Fußballspiel-Übertragung noch in den Supermarkt gehen?

Twardawa: Viele werden sich die Spiele nicht zu Hause anschauen. Sie teilen sich die Zeiten anders ein. Deshalb machen längere Öffnungszeiten sowohl für die ausländischen Gäste als auch für die Einheimischen Sinn.

Gilt das auch für die Sonntage und die Zeit nach der WM?

Twardawa: Die Sinnfrage muss lauten: Offene Geschäfte 24 Stunden an sieben Tagen in der Woche? Eine Flexibilisierung sollte sein, aber nicht zu 100 Prozent. Nicht alle Geschäfte sollten sonntags öffnen. Wohl aber die für Waren des täglichen Bedarfs, wie zum Beispiel Lebensmittel. Brötchen gibt es schon heute sonntags zu kaufen. Man sollte es dem Handel überlassen, wie er seine Öffnungszeiten gestaltet. Wenn der Juwelier meint, dass er seine Kunden erst um 20 Uhr kommen lässt, dann wird er eben nicht schon um 9 Uhr öffnen.

Wolfgang Twardawa (62) ist Betriebswirt und arbeitet als Marketingleiter bei der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) in Nürnberg.

Quelle: Hessische/Niedersächsische Allgemeine (HNA), 19. Januar 2006

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