Reli oder Ethik? Wenn Ärger reinigt

Ärger ist gut. Er reinigt und schafft im besten Falle Platz für neue Ideen: zum Beispiel einen Ethik-Unterricht an der Grundschule Marbach. Denn wiederholt haben Eltern den Religionsunterricht kritisiert und kritisieren ihn bisweilen noch immer, ist zu hören. Sie wünschen sich unter anderem weniger starres „Runterbeten“ der kirchlichen und biblischen Themen und Rituale und dass ihre Grundschulkinder sich am Lernort Schule auch zusätzlich mit ethischen Fragen beschäftigen. Das können zum Beispiel die fundamentalen Fragen der Philosophie durch Immanuel Kant sein: Was kann ich wissen? Was soll ich tun? Was darf ich hoffen? Was ist der Mensch? Auch auf die Denkebene von Grundschulkindern lassen sich diese Fragen runterbrechen. Rollenspiele etwa überfordern auch erst 6- bis 10-Jährige nicht. Konkret geht es um Themen wie Selbstwahrnehmung und Selbsterfindung, soziale Wahrnehmung und Verantwortung, Sinnfindung und Lebensorientierung, Leben in kultureller Vielfalt, Umweltbewusstsein, Selbstbehauptung und Normenreflexion. (Hinweis der Redaktion: zwei Sätze später hinzugefügt!)

Und tatsächlich. Es gibt es auch für den Ethik-Unterricht in der Grundschule ein Kerncurriculum. In Hessen. Das neue Kerncurriculum für Hessen ist die verbindliche curriculare Grundlage für den Unterricht an hessischen Schulen in allen Fächern der Primarstufe und der Sekundarstufe I. So formuliert es das Hessische Kultusministerium.

Allerdings, so teilt das Staatliche Schulamt für den Landkreis Marburg-Biedenkopf mit, müssten für die Umsetzung in einer bestimmten Grundschule auch „die personellen Voraussetzungen gegeben sein und auch eine angemessene Lerngruppengröße zustande kommen“. Sprich: Geld, Personal, Kapazitäten und entsprechende Nachfrage wären auch für die Marbacher Grundschule erste Voraussetzungen dafür, dass ein Ethik-Unterricht dort alternativ zum Religionsunterricht überhaupt starten könnte.

„Da wir in unserem Schulamtsbereich bisher keine Erfahrungen mit Ethikunterricht in der Grundschule haben, werden wir hierzu weitere Informationen einholen“, so Thilo Traub vom hiesigen Schulamt. Zurzeit könne noch nicht abschließend geklärt werden, ob für die Grundschule Marbach die Einrichtung eines Ethikangebots möglich ist.

Genau vor einem Jahr entschied das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG, Az: 6 C 11.13), dass keine verfassungsrechtliche Verpflichtung zur Einrichtung eines Schulfachs Ethik in der Grundschule bestehe. Das Grundgesetz verpflichte den Verordnungsgeber in Baden-Württemberg nicht, ein Schulfach Ethik für diejenigen Schüler in der Grundschule vorzusehen, die nicht am Religionsunterricht teilnehmen, urteilten die Richter. Die Klägerin, eine Mutter konfessionsloser Schulkinder, hielt die Einführung eines gesonderten Ethikunterrichts in der Grundschule für geboten. Es fehle an einem adäquaten Ersatzfach für den Religionsunterricht. Darin liege eine verfassungswidrige Benachteiligung gegenüber konfessionell gebundenen Schülern, so die Argumentation der Mutter. Ihre Klage blieb in beiden Vorinstanzen erfolglos.

Das Bundesverwaltungsgericht wies die Revision der Klägerin zurück. „Bei der Einrichtung von Schulfächern verfügt der Staat über Gestaltungsfreiheit. Mit dem Verzicht auf die Einrichtung des Fachs Ethik in der Grundschule werden die Grenzen dieser Gestaltungsfreiheit nicht überschritten. Eine verfassungswidrige Benachteiligung gegenüber Schülern, die am Religionsunterricht teilnehmen, folgt hieraus nicht“, hieß es damals von Seiten des Bundesverwaltungsgerichts. Das Fach Religion sei anders als das Fach Ethik durch das Grundgesetz vorgeschrieben. Daher liege ein Gleichheitsverstoß nicht vor.

Bleibt abzuwarten, wie das hiesige Schulamt, die Grundschule Marbach, der Pfarrer (Anm. d. Red.: ‚der Pfarrer‘ nachträglich hinzugefügt!) und letztlich auch die Eltern und Kinder in der Marbach mit der „Ethik-Frage“ umgehen. Ob das Fach eine Alternative zum Religionsunterricht wird? Nicht nur, weil natürlich auch in der Marbach Konfessionslose und Menschen anderen Glaubens leben, sondern weil ethische Fragen und Antworten mindestens in einem Religionsunterricht ihren Platz haben sollten – wenn nicht gar in einem eigenen Unterrichtsfach. Von Offenheit der Schulleitung, dem Thema gegenüber, ist wohl auszugehen.

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