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Eiskalter Besuch an der Haustür

Donnerstag, November 10th, 2016

Von Daniel Grosse

Gegen den wohl künftigen Präsidenten der USA anschreiben zu wollen, nachrichtlich, ist nicht leicht in diesen Tagen. Zu präsent ist dieser höchst umstrittene Mann mit seinen „ungewöhnlichen“ Ideen. Zurückhaltend formuliert. Trotzdem ein Versuch mit einem eher zeitlosen Thema: Auch in der Marbach bestellen Studenten, Hausfrauen, Hausmänner, Geschäftsleute, Rentner und andere Marbacher hin und wieder bei den großen Versendern. Sie ordern Musikinstrumente, elektronische Geräte, ganze Küchen und was sonst noch alles. Und eben auch Lebensmittel. Sogar der Gigant unter den Versendern mit dem großen A am Anfang hat Lebensmittel im Angebot. Er ist erfolgreich. Aber wer wirklich die Zeichen der Zeit erkannt hat, und das schon vor vielen Jahren, sind zwei andere Versender, große Nummern im Direktvertrieb.

Und noch viel direkter als all die anderen Unternehmen: Diese zwei Tiefkühltruhen auf Rädern mit B und E am Wortanfang liefern Produkte wie Fritten, Schnitzel und Eis, heruntergekühlt auf eisige Minusgrade. Direkt ins Haus.

Und es gibt sie immer noch, diese zwei Unternehmen. Erstaunlich, wo doch inzwischen die Discounter dieser Welt spätestens nach 15 Autominuten deutschlandweit zu erreichen sind und auch selbst der Gigant unter den Versendern die leckere Eiskugel zur Haustür bringt. Welches Geheimnis macht diese zwei Relikte der Konsumwelt also so erfolgreich? Ist es das Umsorgen des Kunden? Funktioniert das Geschäftsprinzip der Tiefkühlprofis, weil sie Kunden bedienen, die den besonderen Service in Anspruch nehmen, weil sie das eben so schon seit Jahrzehnten machen? Zumindest scheinen die frostigen Direktvertriebler an ihrem Geschäftsmodell festzuhalten. Denn die Tiefkühltruhen auf vier Rädern rollen allwöchentlich durch die Marbach. Ein Mann mit Headset im Ohr und hektischem Gebaren springt aus seinem Fahrzeug, klingelt und händigt den Kunden zwei, drei oder fünf Beutel oder Pakete mit Tiefkühlkost aus. Ist das das Geschäftsgeheimnis? Sich als der mobile Tante-Emma-Laden zu gerieren, der eben persönlich kommt, die Ware auch ins Haus trägt, gerne auch über Jahrzehnte hinweg? Der einen schnellen Plausch führt. Der seine Kunden – oder eher Kundinnen – schon seit Jahren persönlich kennt, was auch daran zu erkennen ist, dass der Fahrer sie persönlich namentlich anspricht und die Nachbarschaft kennt?

Also, wir fassen zusammen: Was die Giganten der Versender machen, machen andere schon seit vielen, vielen Jahren. Scheinbar nur besser oder zumindest mit Ausdauer. Und in einem kleinen Bereich. Sie haben eine Nische gefunden – das Eisige. Und diese Nische bedienen sie konsequent.  Sie kommen und bringen die Ware ins Haus. Die Kunden dieser Direktvertrieb-Relikte sind… Ja, wer? Familien, Alleinstehende, Ältere, die ohne Auto? Und sind es auch die, die schlecht NEIN sagen können, zu dem, was sie schon seit Jahren umsorgt? Denn was wäre die Alternative, zumindest unter den Direktvertrieblern der Minusgrade-Branche zu wählen? B oder E? Denn das sind die zwei, die sich den eiskalten Markt teilen. Und ein Heraustreten aus diesem Umsorgtsein würde für Kunden zudem bedeuten, zu Discountern wie etwa A oder L zu wechseln. Aber die kommen eben nicht bis vor die Haustür. Noch nicht. Obwohl eine der Ketten doch immer wieder damit geworben hat, die des Supermarktimperiums mit dem R am Anfang. Wir liefern zu Ihnen nach Hause. Ab 30 Euro Einkaufswert. Kostenlos. Aber: Tiefkühlware ausgenommen. Das lässt also die rollenden Tiefkühltruhen der zwei eingangs beschriebenen Tiefkühldirektvertriebler kalt und wohl gleichzeitig vor Eifer glühen. Das ist ihr Markt und da sind sie stark. Und was kostet dieser Service und das Umsorgtsein? Selber fragen!

Was auf den ersten Blick wie eine PR-Nummer für B und E daherkommt, sind eher Gedanken um veränderte Konsumgewohnheiten, die natürlich auch vor der Marbach nicht Halt machen. In unserem Stadtteil leben viele Ältere und Familien. Teilweise schon seit Generationen. Und da ist es besonders interessant, zu beobachten, wie sich alte Geschäftsmodelle Nischen bedienen, eiskalter Nischen, deren Macher schon früh erkannt haben, wie wichtig es ist, nah am Kunden zu sein, statt ihn lediglich zu beliefern von irgendeinem Paketdienst. Direktvertrieb alter Schule? Staubsaugervertreter von V fällt mir da ein… Aber das ist ein anderes Thema.