Ortsbeiratssitzung: Hitzige Diskussion um Bauen und Wohnen

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Blick vom Wieselacker in Richtung Tal, wo fünf neue Häuser entstehen sollen. Um eine Wiesenfläche (vorne links im Bild, bis hinter die hohen Bäume talwärts Richtung Engelsberg), die bebaut werden soll, um ein noch abzureißendes Wirtschaftsgebäude, darum geht es bei der Debatte. Und um den damit verbundenen Baustellenverkehr.     Foto: Daniel Grosse

Großer Bahnhof gestern in der Marbach. Der Ortsbeirat von Marburg-Marbach hatte zur Sitzung in den Anbau des Bürgerhauses geladen. Und es kamen nicht nur dessen Mitglieder samt Ortsvorsteher. Auch etliche Anwohner, Nachbarn und andere Interessierte hatten vor allem einen Grund, dabei zu sein – den TOP 4 der Tagesordnung: Bebauungsplan 24/4 10. Änderung „Am Engelsberg“. Es war keine Sitzung nur der leisen Töne, emotional und auch mal laut waren die Wortbeiträge.

Wie schon auf „Marbach direkt“ berichtet, geht es dort um ein großes Wiesenareal und angrenzende, bereits bestehende Wirtschaftsgebäude. Der 5.600 Quadratmeter große Planungsbereich liegt im Ortskern Marbachs und wird von den Straßen Am Engelsberg, Salegrund und Falkenweg eingerahmt. Ziel der Bebauungsplanaufstellung sei der „Neubau von Wohnhäusern anstelle der ehemaligen Werkstattgebäude sowie auf der Wiesenfläche im Bereich der vorhandenen Gartenhütten“. So formuliert es die Stadt. Konkret: fünf Neubauten auf dem gesamten Areal.

Kritik gegen das Vorhaben kam gestern prompt. So hatte ein Anwohner eine Modellrechnung aufgestellt. Nach dieser müssten während der gesamten Bauphase mehrere Hundert schwer beladene Lastwagen die schmale Dorfstraße Am Engelsberg entlangfahren, um zu der Baustelle zu gelangen und sie wieder zu verlassen. Ein Unding und wohl in keinster Weise durchdacht, so der Einwand. Bereits heute seien in einigen der Häuser entlang des Sträßchens Setzungsrisse zu sehen, es seien alte Fachwerkhäuser ohne moderne Betonfundamente, so der Einwand. Würden die Pläne nach aktuellem Stand der Dinge umgesetzt, befürchtet der Anwohner Folgendes: Die dynamischen Kräfte durch die Baufahrzeuge wirkten auf Straße und Häuser sowie deren Keller. Wasser- und Gasleitungen unterhalb der Straße werden enormen Druckkräften ausgesetzt – mit gravierenden und gefährlichen Folgen. Der Anwohner forderte zumindest eine umfangreiche Gefährdungsanalyse. Er sprach zudem von einer drohenden Gebrauchswertminderung der anliegenden Gebäude. Ein weiteres Problem: spätere Schäden an den angrenzenden Wohnhäusern,  der Straße und wer dafür finanziell aufkommen muss. Auch die Feststellung des Verursachers könnte sich schwierig gestalten.

Vor Ort war gestern auch eine Vertreterin der Marburger Baubehörde. Karten hatte sie mitgebracht, um das Bauvorhaben und den Entwurf des Bebauungsplanes nochmals zu erläutern. Sie sagte: „Der Bebauungsplan ist noch ganz am Anfang. Es ist noch nichts fertig.“ Ein Beweissicherungsverfahren könnte sicher stellen, dass Schäden während und nach der Bauphase an den umliegenden Straßen und Häusern im Wege einer Bestandsaufnahme dokumentiert werden.

Grundsätzlich ist ein solches Verfahren dann notwendig und sinnvoll, wenn die Gefahr besteht, dass ein Objekt durch angrenzende Bauarbeiten an Straßen oder wegen Neubauten, Transporten oder Abrissarbeiten nicht mehr in dem Zustand ist, wie es das zum Zeitpunkt der Beweissicherung war.

Bewohner des angrenzenden Hasenküppels und Salegrunds haben aktuell und in der Vergangenheit durch Neubauten in der Nähe des Planungsgebietes umfangreiche Erfahrungen gesammelt, wie belastend und zerstörerisch massiver Baufahrzeugverkehr für Straßen und Häuser sein kann. So kam auch der Einwand eines Anwohners, gerichtet an die Vertreterin des Bauamts: „Das mit dem Beweissicherungsverfahren glaube ich Ihnen nicht.“ Ihre Reaktion: Schweigen.

Ein Vorschlag aus dem Publikum kam, der neuen Wind und Bewegung in die Diskussion brachte. Über den Höhenweg kommend könnte doch ebensogut ein Kran, mit einem 30-Meter-Ausleger, die Baustellen auf der zu bebauenden Wiese bedienen. Vom Falkenweg aus. Das würde den Engelsberg massiv entlasten, so die Idee.

Etliche Schreiben mit Kritik, Ideen, Anregungen und Wünschen haben Bürger in den vergangenen Wochen an die Baubehörde geschickt. Diese und die gestrigen Diskussionsbeiträge werden nun in einen neuen, geänderten Entwurf eingearbeitet, der dann erneut in einer Ortsbeiratsitzung der Öffentlichkeit präsentiert wird. Er werde konkretisiert, hieß es gestern. Der Ortsbeirat stimmte übrigens einer etwaigen Änderung des Bebauungsplanes zu. Allerdings mit der Maßgabe, dass die Einwände der Marbacher bei den Planungen entsprechend berücksichtigt werden.

Keine nennenswerten Neuigkeiten gab es gestern zu den Brandruinen in der Brunnenstraße.

Lesetipp, zwar schon etwas älter, aber interessant: Thema Beweissicherung

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