Im Wald ruhen die Toten – Bodendenkmäler aus der Bronzezeit in Nordhessens Wäldern

Von Daniel Grosse

Gottsbüren. „Da waren Grabräuber am Werk“, sagt Klaus Sippel. Während der Fahrt durch den Reinhardswald zeigt der Archäologe mit dem Finger zwischen die Bäume. Ein Hügelgrab mit einer armtiefen Delle verrät die Schatzsucher – keine modernen. „Die haben hier im 19. Jahrhundert gegraben.“

Im Wald ruhen die Toten. Im Reinhardswald sind ihre Gräber fast 4000 Jahre alt. Aber die Gräber haben zwei Feinde: schwere Forstmaschinen, die den Waldboden bearbeiten und Raubgräber, die nach Scherben und Schmuck suchen. Deshalb setzen Waldschützer wie Sippel auf die Hilfe von Förstern und Waldarbeitern – und auf eine Informationsschrift: Archäologie im Wald. Sie beschreibt, welche Bodendenkmäler es gibt, und wie sie aussehen.

120 archäologische Fundstellen allein im Reinhardswald sind bekannt: auf 20 000 Hektar Fläche zwischen Wilhelmshausen und Bad Karlshafen. Verteilt sind sie aber auf ganz Hessen. Erst kürzlich entdeckten Sippel und ein Mitarbeiter im Wald bei Romrod (Vogelsberg) Hügelgräber aus der Bronzezeit.

„Viele Förster erkennen ein Hügelgrab nicht“, sagt Sippel. Deshalb fordert der Archäologe, dass Denkmalpflege in ihrer Ausbildung vertieft wird. Seit vier Jahren schult er regelmäßig Förster und Waldarbeiter, führt sie durch die Wälder, zeigt ihnen jahrhundertealte Bodendenkmäler wie Grabanlagen oder Ringwälle, die vor Angreifern schützen sollten.

Förster wie Eberhard Albrecht vom Forstamt Reinhardshagen profitieren davon. Stehen sie doch vor einem Problem: Waldflächen sind häufig nicht einsehbar. „Wenn der Wald sich bildet, dann ändert sich auch der Boden mit seinem Bewuchs“, erklärt Albrecht.

Nur einen Steinwurf neben der Landstraße zwischen Gottsbüren und Helmarshausen erheben sich drei Hügelgräber versteckt hinter Bäumen. Bedeckt sind die Hügel mit einer dicken Schneedecke. Einer misst 25 Meter im Durchmesser. 1,80 Meter ist er hoch. „Das Grab könnte aus der Bronzezeit stammen, aus der Zeit zwischen 1700 bis 1200 v. Chr.“, sagt Sippel.

Wen die Menschen in solchen Gräbern bestattet haben, wie bedeutend er war und warum Erde über dem Toten aufgeschüttet wurde, sei noch nicht endgültig erforscht, erklärt der Archäologe. „In der Regel waren sie aber für eine Person bestimmt, die die Menschen unter dem Hügel in einem Körper- oder Urnengrab beisetzten. Männer, Frauen – aber auch Kinder.“

Bei seiner Suche nach Bodendenkmälern braucht Sippel Hilfe. Immer wieder erhalte er Anrufe von Menschen, die ihm von ihren Funden berichten, sagt er. Fundstellen markiert der Archäologe dann auf Karten – wichtige Hilfen für Förster und Waldarbeiter.

Quelle: Hessische/Niedersächsische Allgemeine (HNA), 7. Februar 2006

Comments are closed.