Sprache der Ingenieure: Ein Lunker macht nichts Unanständiges

Sprache der Ingenieure: Ein Lunker macht nichts Unanständiges
Warum es sich lohnt, auch als Ingenieur Schwieriges einfach herunterzubrechen.

von Daniel Grosse

Ein Lunker macht nichts Unanständiges. Er schließt lediglich die Luft ein, ist ein Lufteinschluss im Material. Und warum schreiben oder sagen das dann die wenigsten so? Weil Lunker ein Fachbegriff ist. Unter Fachleuten, Ingenieuren, Technikern mit gleichem Wissenshintergrund, mag das legitim sein, einen Lunker einen Lunker zu nennen – aber nichtsahnenden Dritten gegenüber ist es unanständig. Anders verhält es sich mit Lokomotive, Motor, Turbine, Maschine, Radio oder Elektrizität. „Wir nennen solche Wörter, die in allen Sprachen, welche sie übernommen haben, gleich oder ähnlich lauten, Internationalismen,“ schreiben die Autoren im 1960 erschienenen Werk „Die deutsche Sprache“. In der Deutschen Demokratischen Republik wurde es eingesetzt als Lehr- und Übungsbuch für Ingenieurschulen, Fachschulen und in der Erwachsenenbildung. Die Internationalismen heißen eben so, und jeder versteht’s.

Aber bestimmte Fachausdrücke muss man erklären. Oder zumindest Leser gleich mit in die bizarre Welt der Technik-Denkenden nehmen. So wie Philipp Reipschläger mit seiner Internetseite ingenieur-kultur.de. Dort sammelt er allerlei Kurioses aus der Schrift- und Sprechsprache in der Welt der Ingenieure. Die Aussage etwa „Wir verfolgen eine Anzahl verschiedener Lösungsansätze“ übersetzt Reipschläger mit „Wir stochern immer noch im Dunkeln“. Die Beispiele der Ingenieur-Terminologie auf ingenieur-kultur.de sind als Übersetzungen natürlich überzogen, aber es gibt im wahren Leben sicher Situationen, wo es in diese Richtungen geht.

Ein Techniker oder Ingenieur steht vor neuen Herausforderungen. Er soll sich verständlich ausdrücken. Er soll nicht mehr wie ein Technokrat auftreten. Er soll ein Produkt erklären können – nicht nur im Falle von Bedienungsanleitungen oder technischen Dokumentationen. Aber wie schafft er das? Ein Weg ist, die Sprache in den Unternehmen zu kontrollieren. Dazu dienen Verständlichkeitsregeln, sie schaffen Klarheit. Mitarbeiter können an Schulungen teilnehmen. Schließlich müssen sie wissen, warum sie verständlich kommunizieren sollen und natürlich, wie sie dies erreichen können. So genannte style guides, gar eine Controlled Corporate Language, gibt es inzwischen immer häufiger in Unternehmen – auch zu dem Zweck, dass deren Ingenieure besser mit anderen Abteilungen und Kunden kommunizieren können. Auch damit sich keiner mehr vor einem Lunker fürchten muss. Denn schließlich schließt der ja nur Luft ein. Und das kann man doch so auch sagen.

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