Archive for Oktober, 2013

Wenn der Wind weht – Herbstzeit ist Drachenzeit. Wie lang darf eigentlich so eine Drachenschnur sein?

Dienstag, Oktober 15th, 2013

Wenn der Wind weht – von Daniel Grosse
Herbstzeit ist Drachenzeit. Wie lang darf eigentlich so eine Drachenschnur sein?

Ein ungewöhnlich hoch fliegender Lenkdrache führte an einem frühen Sonntagnachmittag (während der Drachensaison im Vorjahr) zu einer Gefährdung des Rettungshubschraubers Christoph 17, hatte die Polizei Bayern damals gemeldet. Der Hubschrauber befand sich demnach gerade auf dem Flug zu einem Einsatz im Bereich Oberstdorf, als der Pilot über Kempten in einer Höhe von etwa 150 Meter über dem Boden einen Lenkdrachen über sich bemerkte. Der 34-jährige Pilot konnte im letzten Moment dem Seil des Drachen ausweichen und so einen Unfall verhindern. Auf Grund des Vorfalls machte sich der Polizeihubschrauber Edelweiss auf die Suche nach dem Drachen und dem Verantwortlichen. Tatsächlich konnte ein 78-jähriger Mann festgestellt werden, der einen Lenkdrachen mit einer Spannweite von drei Metern an einem mehrere hundert Meter langen Seil hatte aufsteigen lassen. Der Mann sah sich daraufhin mit einer Anzeige wegen eines gefährlichen Eingriffs in den Luftverkehr sowie wegen mehrerer Verstöße gegen die Luftverkehrsordnung konfrontiert.
Denn Lenkdrachen oder auch putzige Kinderdrachen an einer Schnur unterfallen rechtlich der Luftverkehrsordnung. Unter dem Punkt „Verbotene Nutzung des Luftraums“ steht etwa: „In einer Entfernung von weniger als 1,5 Kilometern von der Begrenzung von Flugplätzen sind folgende Arten der Nutzung des Luftraums verboten: das Steigenlassen von Drachen und Kinderballonen.“
Und einer Erlaubnis, den Luftraum zu benutzen, bedarf auch „das Steigenlassen von Drachen und Schirmdrachen, wenn sie mit einem Seil von mehr als 100 Meter gehalten werden“.

Wenn Buchstaben foltern – Daniel Grosse zur Juristensprache

Dienstag, Oktober 8th, 2013

Wenn Buchstaben foltern
Fachbegriffe sind nützlich und notwendig. Sie erleichtern das Miteinander. Trotzdem könnten sich Juristen gegenseitig mehr achten: zum Beispiel durch eine klare und weniger geschwollene Sprache. Unter der leiden nämlich umso mehr die juristischen Laien.

Mehr unter http://www.boorberg.de/sixcms/media.php/605/wifue-1-2014.pdf

Seite 62 ff.

Sprache der Juristen – Ein Interview mit Rechtsanwalt Wolfgang Sturm – von Daniel Grosse

Mittwoch, Oktober 2nd, 2013

Interview mit Rechtsanwalt Dr. Wolfgang Sturm aus Bad Salzuflen:

Herr Sturm, in Ihrem Blog lese ich zum Thema „Sprache der Juristen“ unter anderem: „…..Verständlichkeit und Genauigkeit schließen sich also nicht aus. …. Ein Wirrkopf wird nicht nur wirr denken, er wird auch so schreiben. Als Anwalt kann man das jeden Tag beobachten, wenn man Schriftsätze liest, bei denen man sich fragt, wie der Verfasser zwei Staatsexamen bestehen konnte. ….“ Haben Sie zwei, drei Beispiele für Formulierungen, die Mandanten eher verwirren oder abschrecken als informieren?

Rechtsanwalt Dr. Wolfgang Sturm: Zum Beispiel „Geben Sie mir bitte alle erforderlichen Unterlagen“. Klingt präzise, ist aber nicht zielführend. Verwirrt den Mandanten nur, weil er ja nicht weiß, worauf es ankommt. Der Satz führt zu wiederholten Kontakten, denn der Mandant bringt oder schickt Unterlagen, der Anwalt kann damit nichts tun, er fragt erneut nach und so weiter.

Und weshalb nutzen Anwälte solche unsinnigen Sprachblasen?

Sturm: Wer seinen Mandanten so etwas sagt, ist entweder zu faul, sich zu überlegen, was denn eigentlich wichtig ist. Und das wäre schlimm. Oder aber er weiß es gar nicht und wartet mal, was der Mandant so findet. Das wäre dann noch schlimmer.

Zweites Beispiel?

Sturm: „Das kommt darauf an.“ Diesen Standardspruch, der wahr ist, lernen Juristen schon ganz früh. Und sie sind stolz darauf, dass sie ihren Gesprächspartner damit verblüffen können. Eine tolle Antwort: man muss nichts wissen, und sie passt fast immer. Diese Antwort ist jedenfalls dann ein Zeugnis von Faulheit und sogar Dummheit, wenn der Anwalt nicht sagt, worauf es ankommt. Nur so kann der Mandant helfen.

Und noch ein drittes Beispiel aus der „Praxis für sprachlichen Irrsinn“?

Sturm: „Sie müssen mit dem Vergleich leben können.“ Auch so ein toller Satz. Natürlich ist nicht jeder Mandant gleich, und ein guter Berater sollte auch wissen, was für seinen Mandanten in der konkreten Situation gut ist. Dazu gehört es aber, dem Mandanten zunächst einmal sachlich-fachlich die Vor- und Nachteile des Vergleichs aufzuzeigen. Dazu gehört es auch, die Chancen und Risiken aufzuzeigen, wenn der Vergleich nicht geschlossen wird. Und dazu gehört es auch – wird jedoch gerne nicht gemacht-, dem Mandanten zu sagen, was denn nach dem Vergleich nach Abzug der von ihm zu tragenden Kosten an Forderung oder an Schuld verbleibt. Das können Mandanten nicht überblicken.

Dabei sollten Anwältinnen und Anwälte doch darauf achten, um vor allem von Nichtjuristen verstanden zu werden. Was also sollten die Juristen besser machen, wenn sie Mandanten schreiben oder mit ihnen sprechen?

Sturm: Eine klare Sprache wählen. Lieber mehrere kurze Sätze als einen langen. Mit Pausen und ruhig sprechen. Nicht angelerntes Wissen abspulen. Das interessiert Mandanten nicht. Sie wollen Antworten auf Fragen, einen Partner, den sie verstehen, und der eine Strategie aufzeigen kann, die überzeugt. Und ganz wichtig: zuhören, um Zusammenhänge, auch wirtschaftliche, zu verstehen. Viele Juristen machen den Fehler und meinen, sie wüssten alles besser und beurteilen den falschen Sachverhalt. Wer verstanden werden möchte, muss auch so sprechen, dass man ihn verstehen kann. Wer versucht, Dinge zu erklären, die er selbst nicht verstanden hat, der wird scheitern.

Interview: Daniel Grosse