„Warteraum Zukunft“ – eine Kritik von Daniel Grosse
Daniel ist wütend. Der mittel-gescheitelte, gefrustete Ingenieur Daniel Puttkamer sitzt im Warteraum Zukunft, einem Theaterstück von Oliver Kluck. Daniel brüllt, marschiert über Tische und Stühle, schimpft, spritzt Wasser über die Zuschauer. In seiner Erregung kann er kaum den Becher halten. Alles nervt ihn. Sein Job, der schon morgens beginnt, wenn er im Auto sitzt und diese blöden Radiosendungen hört. Ach, wieder ein Stau. Schon wieder ein Krieg. Schon wieder ein politischer Skandal. Und dann noch die tollen Hits aus den vergangenen Jahrzehnten. Aaaah! 140 Kilometer Fahrt pro Tag sind einfach zu viel. Und später in der Firma: Frank, Klaus, Heiner, Peter, Carsten haben eigentlich keine Namen. Sie sind die Kollegen „ach was weiß ich wie, oder so ähnlich“. Sie sind im Grunde gesichtslos. Nummern, bloße Funktionsträger in einer düsteren Arbeitswelt. Wo nur der blanke Busen der Kollegin am Kopierer oder der neu eingeführte Bierausschank in der Kantine den Arbeitsalltag erhellen.
Die Zuschauer durchleben mit Daniel einen ganz normalen Tag, der mit den unseren Tagen viele Berührungspunkte hat: Fluchtphantasien im Pendlerstau, Kantine, Post, Tagesplanung, Termin beim Chef, Mittagspause, Personalversammlung, Feierabend, zum Abschluss eine dumpfe Feier mit Suff, Schlagern und Stereotypen. Und die Beschreibung im Programmheft zu „Warteraum Zukunft“ übertreibt nicht.
Beim Zuschauer beschleunigt der Herzschlag, denn der Zuschauer sitzt mitten drin. Die Darsteller hinter ihm, vor ihm, über ihm. Eine mobile Kamera transportiert zusätzlich Bilder des Theaterstücks auf eine riesige Leinwand. Gefangen in Gestik und lautem Gebrüll sitzen die Zuschauer mit im Büro, in der Firma des Daniel Puttkamer. Versetzen will ihn sein Chef, nach Rumänien. Wo ist er hier nur gelandet, sicher war damals sein übermächtiger Vater daran schuld, das er so geworden ist, was er nun ist: ein total hyperventilierender, hysterischer, genervter und frustrierter Angestellter in einer geistig des Irrsinns entfesselten Unternehmenswelt. Daniel ist wütend – und hilflos.
Zu der gelungenen Inszenierung tragen nicht zuletzt auch die wunderbaren Darsteller-Kollegen des gespielten Daniel Puttkamer bei. Und die Statistin aus dem Publikum. Während der gesamten 75 Minuten Spielzeit läuft sie inmitten der Szenerie auf einem Laufband. Und fällt dann plötzlich völlig erschöpft auf den Boden. Regungslos. Tot? Bitte anschauen und mehr erfahren im „Warteraum Zukunft“, präsentiert vom Hessischen Landestheater Marburg. Sehenswert!